PZL 106 A Kruk

Bericht von Peter Müller
 
PZL 106 A KrukPZL 106 A Kruk
PZL 106 A KrukPZL 106 A Kruk
 

Das erste Modell hat seinen Jungfernflug am 2. Juli 2010 erfolgreich in Wittenwil absolviert - und nie wurde sie auf unserem Flugplatz in Weinfelden geflogen. Nein, der Grund lag nicht etwa bei den Flugeigenschaften dieses Modells, sondern viel mehr lagen die Probleme in der Grösse, denn diese Kruk liess sich einfach nicht in einen normalen Kombi packen. Also stand ich vor einem Transportproblem das gelöst werden musste. Meine Gedanken schweiften vom Dachständer über Anhänger oder gar einen Van-Transporter. Beim näheren Hinschauen waren diese Varianten für mich aber alle unbefriedigend oder zu teuer.

Plötzlich kam mir der Gedanke, wenn auch für manchen Modellbauer etwas unpopulär, eine neue Kruk bauen, die massgeschneidert in meinen Kombi passt. Mit einem Neubau wären gleich drei Vorteile zu verwirklichen:
1. Keine zusätzlichen Kosten für Autos u.s.w.
2. handlichere Grösse für das Handling beim Beladen.
Und drittens, geringeres Gewicht durch Optimierung.
Zudem könnte ich viele Teile wie Motor, Schalldämpfer und Servos rüber nehmen und so auch Kosten senken. Auch könnten Schwachstellen bei der Konstruktion verbessert werden. Die 3,75 m Version hatte ich mit 2 mm Balsa voll beplankt und zusätzlich mit 49 gr. Glasfaser geharzt und DD lackiert. Durch diese Art habe ich zwar eine sehr schöne und stabile Oberfläche erhalten, hat sich aber auch beachtlich aufs Gewicht ausgewirkt.

Also: Gesagt getan. Ich nahm Papier und Bleistift und begann zu Zeichnen. Mit ca. 12 % Verkleinerung konnte ich die Kruk salonfähig machen, sprich "Mondeokompatibel". Bevor ich mit dem Bau begann, fertigte ich noch eine Schablone aus Wellkarton von der Seitenansicht, und probierte den Platzbedarf im Mondeo aus. Und tatsächlich, sie ging rein, so wie ich mir es wünschte. Der Grundstein für einen Neubau war gelegt. Nach ca. einem Jahr Bauzeit war die neue Kruk flugbereit. Alle Teile wurden selber gebaut (kein Bausatz). Die kleine Kruk hat nun 3,4 Meter SPW und wiegt noch 17,5 kg trocken, voll betankt 19.0 kg und passt perfekt in meinen Mondeo.
 
Der Erstflug konnte im Juni 2011 erfolgen. Im Aussehen und Grösse lassen sich die beiden kaum von einandern unterscheiden. Die Flugeigenschaften sind sehr gutmütig, wobei im Landeanflug fast mit Schritttempo ohne abzuschmieren geflogen werden kann.
 

Ein nicht alltägliches Flugzeug und Modell

Die Kruk (Krähe) wurde von PZL zum Einsatz auf den weitläufigen landwirtschaftlichen Betrieben der Comecon-Länder konzipiert und gebaut. Sie ist eine Weiterentwicklung der polnischen Agrarflugzeuge PZL-101 und PZL-104. Zwischen 1973 und 1992 verließen etwa 250 Maschinen die Montagebänder der Herstellerfirma "Centrum Naukowo-Produkcynje Samolotow Lekkich - PZL" in Warschau. An die Agrarflugstaffeln in der ehemaligen DDR wurden rund 100 Exemplare des Typs ausgeliefert.
- Verwendung: Landwirtschaftsflugzeug
- Besatzung: 1 Pilot + 1 Mechaniker
- Länge:9,10 m
- Höhe: 2,85 m
- Spannweite: 14,80 m
- Leermasse: 998 kg
- max. Startmasse: 3.000 kg
- Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
- Reichweite: 600 km
- Gipfelhöhe: 3.000 m
- Triebwerk: 7-Zylinder-Sternmotor
- Leistung: 600 PS
Im harten Agrarflugeinsatz herrschten Bedingungen wie bei einem Formel - I - Boxenstopp. Die Zwischenlandungen auf einem etwa 700 Meter langen Randstreifen neben dem Acker waren perfekt geplant: Nach 200 Metern mußte das Flugzeug stehen. Dann wurde mit einem Spezialkran der Chemikalienbehälter innerhalb von einer Minute wieder aufgefüllt. Die Maschine startete sofort wieder. Rund 90 Starts und Landungen pro Tag absolvierten die robusten Tiefdecker an einem zehn- bis elfstündigen Einsatz.
Aufgrund ihrer Form und ihres Einsatzprofils ist die PZL-106 A kein Spritsparer. Zwischen 150 und 280 Liter Treibstoff verbraucht der Stemmotor pro Stunde. Dies liegt daran, weil die Flugzeuge beim Wenden über den Feldern jeweils mit Vollgas geflogen werden mußten. Die Maschine ist wendig und handlich, aber kein bißchen kritisch und unheimlich robust. Die Zuverlässigkeit der Konstruktion wird auch daran deutlich, dass mit dem Typ in der DDR kein einziger tödlicher Unfall passierte. In einem Prospekt warb der Hersteller sogar mit einer "überschlagsicheren Kabine und Gurten, die Belastungen bis zu 40 t widerstehen".
Auffällig sind die starr angebrachten Vorflügel, die etwas von der übrigen Tragfläche abstehen. Dadurch wird der Auftrieb der ohnehin langen Flügel nochmals verbessert.
 

Geschichte dieser Maschine

Dieter Gehling - jetziger Eigner - entdeckte die Kruk durch Zufall. Ein Privatmann hat das Flugzeug kurz nach der Wende gekauft, aber konnte es nicht halten. Deshalb wurde die Maschine zerlegt und für die Verschiffung nach Venezuela vorbereitet. Zuvor hatte das südamerikanische Land bereits 30 Kruks aus DDR-Beständen gekauft. Die Lieferung nach Venezuela kam aber nicht mehr zustande. Das Flugzeug blieb fast drei Jahre auf dem Lagerplatz bei Anklam in Mecklenburg-Vorpommern liegen und stand kurz vor der Verschrottung. Für 2.500 DM kaufte er die Trümmer und brachte Rumpfteile sowie Tragflächen in eine Zweigstelle seines Betriebes bei Magdeburg. Rund sechs Monate dauerte die Restaurierung, inklusive einer originalgetreuen Neubemalung. Herr Gehling wurde durch einen ehemaliger DDR-Fluglehrer eingewiesen. Ohne die Informationen von früheren DDR Agrarpiloten und Technikern wäre die Restaurierung seines 1978 gefertigten Tiefdeckers niemals so schnell möglich gewesen, berichtete der jetzige Pilot aus Westfalen. Diese Kruk ist die einzige flugtaugliche die es in Deutschland noch gibt.
Firma PZL: Pañnstwowe Zak³lady Lotnicze = Staatliche Luftfahrt-Werke ist die staatliche polnische Luftfahrtindustrie, die auf ein Werk in Warschau von 1928 zurück geht. Seitdem wurden in bewegter Geschichte Eigenkonstruktionen, Lizenzbauten und Komponenten ziviler und militärischer Flugzeuge und Hubschrauber hergestellt.